Skip to main content Skip to page footer

Vermögensabgabe in Deutschland denkbar?

Die "Ampel" hat die Rechtmäßigkeit prüfen lassen.

Besteuerungsgegenstand der einmaligen Vermögensabgabe wäre – wie bei der Vermögensteuer – das Vermögen. Die Bundesregierung hat überprüfen lassen, ob eine Vermögensabgabe zur Finanzierung des Gemeinwohls im Kontext der Bekämpfung der multiplen Krisen und ihrer wirtschaftlichen und sozialen Folgen verfassungsgemäß ist, insbesondere im Hinblick auf die Klimakrise und den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG erwähnt die „einmaligen Vermögensabgaben und die zur Durchführung des Lastenausgleichs erhobenen Ausgleichsabgaben“. Eine darauf gestützte Vermögensabgabe des Bundes wurde in der Bundesrepublik Deutschland abgesehen vom Lastenausgleich zur Bewältigung der Kriegsfolgen noch nicht erhoben. Daher existiert auch keine Rechtsprechung des BVerfG dazu. Diskutiert wurde die Vermögensabgabe zu verschiedenen Anlässen, so etwa zur Bewältigung der Wiedervereinigung, der Finanzkrise, der Eurokrise, der Klimakrise und der Corona-Pandemie, zumal in den jüngeren Krisen Einigkeit bestand, dass der Bund den weit überwiegenden Teil der Krisenlasten finanziert. Umstritten ist, welche Anforderungen an den Anlass für eine einmalige Vermögensabgabe bzw. den daraus folgenden Finanzbedarf des Bundes zu stellen sind. Dem schließt sich der Versuch einer Auslegung des Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG an.

Der Bund kann durch Gesetz einmalige Vermögensabgaben erheben; ihr Aufkommen steht allein dem Bund zu (Art. 105 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG). Die alleinige Ertragskompetenz des Bundes ist zwingend und kann nicht durch Gesetz abweichend geregelt werden. Da das Aufkommen allein dem Bund zusteht, ist das Gesetz zur Einführung der Vermögensabgabe ein Einspruchs- und kein Zustimmungsgesetz (vgl. Art. 105 Abs. 3 GG). Besteuerungsgegenstand der einmaligen Vermögensabgabe ist – wie bei der Vermögensteuer – das Vermögen. Neben der Bestimmung, dass die Vermögensabgabe „einmalig“ sein muss, enthält Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG keine weiteren ausdrücklichen Vorgaben für die Vermögensabgabe.

Unter welchen Bedingungen eine Vermögensabgabe durch den Bund erhoben werden darf, ist sehr umstritten. Eine Klärung durch das BVerfG ist nicht erfolgt. Verbreitet wird die Vermögensabgabe als Ausnahmefall in der Finanzverfassung angesehen und daraus eine restriktive Auslegung abgeleitet in dem Sinne, dass ein schwerwiegender Anlass, zumindest aber ein besonderer, außerordentlicher Finanzbedarf des Staates vorliegen müsse. Zum Teil wird auf diese Anforderungen verzichtet. Zu den Folgen dieser Auffassungen für die untersuchte Frage siehe nachfolgenden Text.

Nur für Folgelasten des Zweiten Weltkriegs

Vor allem in früheren Stellungnahmen wurde angenommen, die einmaligen Vermögensabgaben kämen ausschließlich zur Bewältigung der Folgen des Zweiten Weltkriegs in Betracht. Dabei wurde ein Zusammenhang zur Ausgabenverantwortung des Bundes für die Kriegsfolgelasten gemäß Art. 120 GG gesehen. Nach dieser Auffassung bilden die in Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG erwähnten einmaligen Vermögensabgaben und die für den Lastenausgleich erhobenen Ausgleichsabgaben einen einheitlichen Tatbestand. Die Vorschrift hat dann keinen Anwendungsbereich mehr.

Die heute ganz überwiegende Meinung im Schrifttum lehnt dieses sehr enge Verständnis ab.

Nur für Folgelasten dem Weltkrieg vergleichbarer Ereignisse

Verbreitet wird dennoch eine restriktive, enge Auslegung des Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG befürwortet und eine dem Zweiten Weltkrieg bzw. seinen Folgen „vergleichbare Ausnahmelage“ bzw. eine „historische Sonderlage von vergleichbarer Tragweite“ oder zumindest ein dem „Lastenausgleich vergleichbarer“ Fall gefordert. Aus der Entstehung des Tatbestands und der dortigen Nennung der (Lasten-)Ausgleichsabgaben ergebe sich, dass die Vermögensabgabe nur in „historischen Sondersituationen“ und in dem dadurch veranlassten Umfang erhoben werden dürfe,  bei „notstandsartigen, existenzgefährdenden Zuständen“. Auf dieser Linie liegen auch di Fabio, der einen „völlig untypischen, die Grundlagen eines Gemeinwesens tief erschütternden, besonderen Finanzierungsbedarf“ verlangt, und G. Kirchhof, der ein Ereignis fordert, das „in seinen außerordentlichen Finanzwirkungen vermutlich nicht nochmals auftreten wird“, ein „historisch einzig- artiges Geschehen“ in einer notstandsähnlichen Lage.

Offen bleibt, wie diese Anforderungen konkretisiert oder geprüft werden können. Der Verweis auf die historische Einzigartigkeit, die vom Gesetzgeber dargelegt und vom BVerfG überprüft werden müsste, und jeder Vergleich zu den Folgen des Zweiten Weltkriegs machen die Norm praktisch unanwendbar. Die staatsorganisationsrechtliche Frage der Gesetzgebungskompetenz für eine Steuer würde damit an Spekulationen über kriegsähnliche Lagen als historisch einzigartige Geschehnisse oder existenzgefährdende Zustände geknüpft werden. Diese Voraussetzungen sind ungeeignet. Sie aufzustellen heißt wohl, sie gleichzeitig zu verneinen. Infolgedessen hätte

Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG praktisch keinen Anwendungsbereich mehr. Auch dass in der Staatspraxis bisher Vermögensabgaben nur zur Beseitigung von Kriegslasten erhoben wurden, macht daraus keine normative Bedingung für künftige Vermögensabgaben.

3.3. Staatliche Ausnahmelage als vermeintliche Vorgabe des BVerfG

Die unter 3.2. genannten Auffassungen stützen sich regelmäßig auch auf eine Formulierung des BVerfG aus der Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit des Vermögensteuergesetzes („staatliche Ausnahmelage“). Auch weitere Stellungnahmen im Schrifttum fordern – wenn auch gelegentlich ohne einen Vergleich zu Kriegsfolgen – eine staatliche Ausnahmelage als Voraussetzung für die Vermögensabgabe. Allerdings bestehen erhebliche Zweifel an dieser Schlussfolgerung aus der Vermögensteuer-Entscheidung. Denn darin befasst sich das BVerfG nicht mit den Voraussetzungen der Vermögensabgabe und nennt diese nicht einmal. Das in Bezug genommene obiter dictum in dem Beschluss aus dem Jahr 1995 über das Vermögensteuergesetz lautet:

„Unter besonderen Voraussetzungen, etwa in staatlichen Ausnahmelagen, erlaubt die Verfassung auch unter den geltenden steuerrechtlichen Rahmenbedingungen einen Zugriff auf die Vermögenssubstanz. So konnte das Reichsopfergesetz vom 31. Dezember 1919 (RGBl II 1919 S. 2189) zur Finanzierung der mit dem Versailler Vertrag auferlegten Lasten Vermögenssub- stanzen in Anspruch nehmen. Ähnliches gilt für die Steuern nach dem Lastenausgleichsgesetz vom 14. August 1952 (BGBl I S. 446).“

In dem entsprechenden Abschnitt seines Beschlusses befasst sich das BVerfG mit den verfassungsrechtlichen Schranken der Besteuerung des Vermögens. Darin betont das Gericht, dass die Vermögensteuer unter Beachtung des Art. 14 GG nicht in die Substanz des Eigentums eingreifen dürfe, vielmehr die Substanz des Vermögens (den Vermögensstamm) unberührt lassen müsse und aus den Sollerträgen bezahlt werden müsse, und auch der Vermögensertrag bei Zusammenbetrachtung der Ertrag- und Vermögensteuer nur bis in die Nähe einer hälftigen Teilung besteuert werden dürfe (dem widersprechend das Sondervotum des Richters Böckenförde). Abschließend dazu betont das Gericht mit dem genannten Zitat lediglich, dass in „staatlichen Ausnahmelagen“ auch auf die Vermögenssubstanz zugegriffen werden könne.

Aus diesem Zusammenhang folgt, dass das BVerfG mit dem genannten Zitat die Vermögensbesteuerung generell gemeint hat und folglich die Vermögensteuer und wohl auch die Vermögensabgabe nur in staatlichen Ausnahmelagen auf die Vermögenssubstanz zugreifen dürfen, im Übrigen aber als Sollertragsteuer ausgestaltet werden können. In der zitierten Passage befasst sich das BVerfG also mit materiell-rechtlichen Anforderungen an die Vermögensbesteuerung, nicht aber mit der Frage, welche (weiteren) verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Kompetenz des Bundes zur Erhebung einer Vermögensabgabe zu stellen sind. Dafür ergibt sich aus dem zitierten Beschluss des BVerfG nichts, auch nicht das Erfordernis einer „staatlichen Ausnahmelage“, das nur bei Eingriffen in die Vermögenssubstanz als materiell-rechtliche Grenze wirkt.

3.4. Nur bei außerordentlichem Finanzbedarf

Die bisher dargestellten Auffassungen fordern zumeist auch einen außerordentlichen Finanzbedarf des Bundes, der aus dem jeweils geforderten Anlass folgt. Eine weniger strenge Auffassung verlangt nur einen besonderen, außerordentlichen Finanzbedarf des Staates, ohne zugleich einen besonders schwerwiegenden Anlass dafür festzulegen. Verlangt wird eine finanzielle Sonderlage, die mit den üblichen Steuereinnahmen nicht oder nur schwer bewältigt werden kann.

Diese Anforderung setzt die Unterscheidung zwischen dem regulären Finanzbedarf und dem außerordentlichen Finanzbedarf des Bundes voraus. Fraglich ist, wie dieser Unterschied geprüft werden soll. Auch in den jüngeren Krisen zeigt sich, dass der Gesetzgeber bestimmt, welcher Finanzbedarf zur Bewältigung einer Krise erforderlich ist, zum Beispiel in welchem Umfang zur Bekämpfung der Corona-Pandemie Unternehmenshilfen und Kurzarbeitergeld gewährt oder eine kostenlose, flächendeckende Testinfrastruktur vorgehalten wird. Der erforderliche Finanzbedarf entzieht sich daher einer objektiven Beurteilung.19 Der Gesetzgeber könnte selbst die Vorausset-zungen schaffen, die für die Ausübung seiner Gesetzgebungskompetenz erforderlich sind, was dieser Anforderung die Wirksamkeit nimmt. Wieland will als Maßstab offenbar auf die Kriterien der Öffnungsklausel der Schuldenbremse zurückzugreifen (Art. 115 Abs. 2 Satz 6 GG).(20) Danach muss es sich um eine Notsituation handeln, die außergewöhnlich ist, sich der Kontrolle des Staates entzieht und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt. Einen anderen Ansatz zur Prüfung des Finanzbedarfs hat der Wissenschaftliche Beirat beim BMF. Er sieht die Vermögensabgabe als subsidiär zu den anderen in Art. 106 GG genannten Steuern an; sie dürfe erst erhoben werden, wenn Steuererhöhungen und Schuldenaufnahmen ausgereizt seien.21 Diese Voraussetzung dürfte allerdings die Erhebung einer Vermögensabgabe praktisch unmöglich machen.

Keine besonderen Anforderungen

Eine andere Auffassung kommt zu einer weiten Auslegung des Art. 105 Abs. 1 Nr. 6 GG. Einschränkungen für die Kompetenzausübung ergeben sich danach – außer aus dem Wortlaut (Einmaligkeit) – nur durch das Verhältnis der Vermögensabgabe zur in Art. 106 Abs. 2 Nr. 1 GG erwähnten Vermögensteuer. So führt Heun aus, dass für die Erhebung einmaliger Vermögensabgaben lediglich Voraussetzung sei, dass es sich um Steuern handeln müsse, die nicht die Vermögensteuern der Länder aushöhlten. Und Anzenberger kommt in ihrer Dissertation zu dem Ergebnis, dass das Vorliegen einer staatlichen Ausnahmelage oder eines außerordentlichen Finanzbedarfs keine Bedingung dafür ist, dass der Bund seine Kompetenz zur Erhebung einer Vermögensabgabe ausübt. Lediglich aus dem Verhältnis zur Vermögensteuer ergeben sich nach dieser Auffassung vergleichsweise grobe Einschränkungen.

Fazit: Anforderungen an die Vermögensabgabe bleiben unklar

Ob die derzeitigen Krisenlagen (Klimakrise, Ukrainekrieg und die Folgen) die Erhebung einer Vermögensabgabe durch den Bund rechtfertigen, bleibt nach alledem unklar. Nach der oben zitierten Auffassung ist das eindeutig nicht der Fall. Die oben zitierten Auffassungen über eine restriktive Auslegung des Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG lassen sich auf diese Krisenlagen (historisch einzigartige Ereignisse?) nicht sinnvoll anwenden (zur Unbestimmtheit dieser Anforderungen siehe oben), würden eine existenzgefährdende Notlage bzw. dem Zweiten Weltkrieg vergleichbare Folgen vermutlich verneinen. Ob deshalb bereits eine staatliche Ausnahmelage oder ein außerordentlicher Finanzbedarf bestehen, lässt sich ebenfalls kaum prüfen. Nach im vorherigen Punkt genannten Auffassung ist die Erhebung einer Vermögensabgabe dagegen zulässig. Im Schrifttum besteht nach alledem kein Konsens. Einschlägige Rechtsprechung dazu fehlt. Im Folgenden wird daher versucht, die genannten Auffassungen anhand einer Auslegung des Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG zu überprüfen.

Im Wortlaut von Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG wird weder ein besonderer Anlass für die Erhebung einer Vermögensabgabe noch eine Anforderung an den erforderlichen Finanzbedarf des Bundes formuliert. Klar ist der Wortlaut insofern, als Besteuerungsgegenstand (nur) das Vermögen ist.

Als einzige Ergänzung dazu verlangt der Wortlaut, dass die Vermögensabgabe „einmalig“ ist. Hie- raus folgt (insoweit besteht Einigkeit), dass die Vermögensabgabe – gerade auch in Abgrenzung zur Vermögensteuer – keine kontinuierliche fortlaufende Besteuerung darstellen darf. Allerdings soll der Begriff der „einmaligen Vermögensabgaben“ doppeldeutig sein. Daraus wird abgeleitet, dass der Anlass besonders sein muss, also einmalig im Sinne von einzigartig, außergewöhnlich. Eine zweite Wortbedeutung bezieht sich nur auf die Art der Erhebung in dem Sinne, dass die Abgabe nur einmal erhoben wird und nicht – wie bei der Vermögensteuer – kontinuierlich jährlich. In sprachlicher Hinsicht spricht mehr für die zweite Wortbedeu- tung. Denn nach dem Verständnis der zuerst genannten Bedeutung ist nicht die Vermögensabgabe außergewöhnlich, sondern ihr Anlass, gemeint ist also eine „zu einem einmaligen (außergewöhnlichem) Zweck erhobene Vermögensabgabe“. Die restriktive Auffassung will dennoch nicht auf die zweite Wortbedeutung von „einmalig“ verzichten. Folglich versteht sie „einmalig“ sogar in einem doppelten Sinne, nämlich als „außergewöhnlich“ und als „einmal zu erheben“, was jedenfalls in rein sprachlicher Hinsicht den Wortlaut strapaziert. Überdehnt wird er damit wohl noch nicht, so dass der Wortlaut letztlich keine Klarheit schafft.

Entstehungsgeschichte

Art. 106 Abs. 1 GG lautete ursprünglich: „Die Zölle, der Ertrag der Monopole, die Verbrauchsteuern mit Ausnahme der Biersteuer, die Beförderungssteuer, die Umsatzsteuer und einmaligen Zwecken dienenden Vermögensabgaben fließen dem Bunde zu.“

Die jetzige Fassung der Nr. 5 wurde durch Gesetz vom 23. Dezember 1955 geschaffen. Bei der Aufnahme des Lastenausgleichs in Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG hatte der Gesetzgeber die Kriegsfolgen im Blick. In der ursprünglichen Fassung war die Differenzierung zwischen den Vermögens- abgaben und den Ausgleichsabgaben nicht enthalten. Dies könnte auch erklären, warum unter Hinweis auf die Beratungen im Parlamentarischen Rat angenommen wird, für die Vermögensabgabe habe dieser keinen Anwendungsbereich neben dem Lastenausgleich und den Vermögen- steuern der Länder gesehen.

In der Begründung zum Gesetzentwurf zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung vom 29. April 1954 heißt es (zu dem damaligen geplanten Art. 106a GG):(26)

„In dieser Vorschrift sind alle Steuern zusammengefaßt, die ausschließlich dem Bund zufließen. Der Ertrag der Finanzmonopole und die Zölle sind bereits durch Art. 106 in Verbindung mit Art. 107 GG endgültig dem Bund zugewiesen. […] Die Verbrauchsteuern, die einmaligen Vermögensabgaben und die zur Durchführung des Lastenausgleichs erhobenen Ausgleichsabgaben werden mit der unter Art. 106a Nr. 2 vorgesehenen Ausnahme als Steuergruppen dem Bund zugewiesen. Die Zuweisung erstreckt sich danach nicht nur auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes erhobenen, sondern auch auf etwaige künftige Steuern und Abgaben der bezeichneten Art (vgl. Nr. 165). Damit ist von vornherein auch das Aufkommen künftig neu einzuführender Verbrauchsteuern oder einmaliger Vermögensabgaben dem Bund zugewiesen (vgl. Art. 106d), soweit es sich nicht um Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis handelt.“

Und weiter:

„Zu Nr. 5: Die zur Durchführung des Lastenausgleichs erhobenen Lastenausgleichsabgaben ergeben sich aus § 3 des Lastenausgleichsgesetzes: die Vermögensabgabe, die Hypothekengewinnabgabe und die Kreditgewinnabgabe. Darüber hinaus fallen unter Nr. 5 auch einmalige Vermögensabgaben und sonstige Ausgleichsabgaben, die etwa künftig im Zuge der Ausgestaltung des Lastenausgleichsrechts eingeführt werden.“

Die Zitate deuten darauf hin, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass auch künftige einmalige Vermögensabgaben eingeführt werden können. Leider macht der Gesetzgeber sich hier nicht die Mühe zu begründen, warum das Aufkommen der einmaligen Vermögensabgaben dem Bund zustehen soll, während er dies für die Ausgleichsabgaben und die übrigen genannten Steuerarten ausdrücklich begründet.

Letztlich sind die Gesetzesmaterialien zu der aufgeworfenen Streitfrage nicht ergiebig. Wieland kommt in einer ausführlichen Analyse zu dem Schluss, dass den Materialien keine spezifischen Voraussetzungen für die Erhebung einmaliger Vermögensabgaben zu entnehmen seien. Die Zusammenfassung der einmaligen Vermögensabgaben und der Lastenausgleichsabgaben in einer Nummer 5 soll aber nahelegen, dass für einmalige Vermögensabgaben ein „außergewöhnlicher Finanzbedarf des Staates“ erforderlich sei.(29) Anzenberger kommt dagegen zu dem Schluss, dass sich aus der Entstehungsgeschichte keine besondere Anforderung im Sinne einer staatlichen Ausnahmelage ergebe.(30)

Systematische Auslegung

Klare Unterscheidung der beiden Alternativen in Art. 105 Abs. 1 Nr. 5 GG

In Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG sind neben den einmaligen Vermögensabgaben die „zur Durchführung des Lastenausgleichs erhobenen Ausgleichsabgaben“ genannt. Im Schrifttum wird versucht, beide Abgaben zu einer einzigen Abgabeart zu verschmelzen, indem verlangt wird, auch die Vermögensabgaben dürften nur zur Beseitigung von Folgelasten des Zweiten Weltkriegs  oder zumindest für vergleichbare Folgelasten erhoben werden. Systematische Argumente lassen sich für diese Merkmalsübertragung von der zweiten auf die erste Alternative des Art. 105 Abs. 1 Nr. 6 GG indes nicht anführen. Dass beide Alternativen in derselben Nummer 5 gefasst und sprachlich klar abgegrenzt sind, spricht für das Gegenteil. Der Vergleich zwischen den beiden Alternativen ergibt nur Folgendes: Der Verfassungsgesetzgeber hat nur die zweite Alternative mit einer Zweckbindung versehen („zur Durchführung des Lastenausgleichs“). Bei der ersten Alternative fehlt diese Zweckbindung. Insofern ist die erste Alternative offen gefasst. In anderer Hinsicht ist die erste Alternative enger gefasst, weil sie nur Vermögen als Besteuerungsgegenstand zulässt. Sie ist auch insofern enger gefasst, als sie nur eine einmalige Abgabe zulässt.

Keine Merkmalsübertragung zwischen den beiden Alternativen

Somit ergeben sich zwischen beiden Alternativen klare Unterschiede, die auch im Wortlaut zum Ausdruck kommen. Eine Zusammenschau der beiden Alternativen würde diese Unterschiede verwischen. Es gibt daher keine aus der Nummer 5 folgenden systematischen Argumente dafür, dass der Anlass bzw. Zweck der ersten Alternative dem Kriegsfolgenlastenausgleich entsprechen oder vergleichbar sein muss. Allein aus dem Umstand, dass beide Alternativen in derselben Nummer in Art. 106 Abs. 1 GG aufgeführt sind, kann nichts anderes abgeleitet werden. Denn da- bei dürfte es sich um eine Aufzählung handeln, wie sie auch in den anderen Nummern in Art. 106 Abs. 1 GG üblich ist, um die Ertrags- und über Art. 105 GG auch die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes für die aufgezählten Steuern festzulegen.

Verhältnis zur Vermögensteuer

Für die Auslegung bedeutsam ist aber das Verhältnis zur Vermögensteuer. Die Vermögensabgabe ist von der in Art. 106 Abs. 2 Nr. 1 GG genannten Vermögensteuer zu trennen. Denn die Ertragshoheit ist unterschiedlich. Beide Steuern haben den gleichen Besteuerungsgegenstand, nämlich das Vermögen. Zwischen beiden existiert daher kein begrifflicher Unterschied.(31) Der Unterschied liegt allein darin, dass die Vermögensabgabe „einmalig“ sein muss, also nur einmal und nicht wie die Vermögensteuer kontinuierlich für jeden Veranlagungszeitraum erhoben werden darf.

Unzulässig ist daher der Versuch, durch wiederholte Erhebung einer Vermögensabgabe kontinuierlichen Zugriff auf Vermögen zu nehmen.

Aus der Einmaligkeit der Vermögensabgabe und der systematischen Abgrenzung zur Vermögensteuer als (potentielles) dauerhaftes Finanzierungsinstrument der Länder wird daher gefolgert, dass zur Unterscheidung beider Steuern ein außerordentlicher Finanzbedarf des Bundes vorliegen muss, der Anlass für eine nicht regelmäßige, nicht dauerhafte Steuer sein kann. Nach anderer Auffassung ergibt sich aus dem Grundsatz der Bundestreue und der Rücksichtnahme auf die Länder lediglich die Ableitung, dass der Bund durch eine Vermögensabgabe die Erhebung der Vermögensteuer zugunsten der Länder nicht missbräuchlich unmöglich macht.

Die hier angestellten systematischen Erwägungen sprechen eher für diese weite Auffassung, so dass sich über diese Mindestanforderung hinaus keine anderen Vorgaben für die Auslegung des Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG ergeben. Dies gilt auch für die auf systematische Argumente gestützte Auffassung, die Kriterien der Öffnungsklausel der Schuldenbremse anzuwenden. Dies vermag nur zu helfen, wenn überhaupt ein außerordentlicher Finanzbedarf als Voraussetzung für die Vermögensabgabe nötig ist, wofür systematische Argumente nicht sprechen. Allein aus der Parallelität der Regelungen zur Vermögensabgabe und zur Schuldenbremse in der Finanzverfassung ergibt sich nichts.

Teleologische Auslegung

Der Zweck des Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG liegt in der Festlegung der Ertragskompetenz und der Gesetzgebungskompetenz für die einmalige Vermögensabgabe. Diese muss zur Unterscheidung der Kompetenzen von Bund und Ländern im föderalen Staat eindeutig sein. Um diesen Zweck nicht zu beeinträchtigen, muss eine Abgrenzung der Vermögensabgabe zur Vermögensteuer erfolgen. Maßgaben für eine weite oder restriktive Auslegung des Begriffs der einmaligen Vermögensabgaben folgen daraus im Übrigen nicht. Die staatsorganisationsrechtliche Frage der Kompetenzzuordnung ist dabei von etwaigen materiell-rechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung einer Steuer bzw. der Vermögensabgabe, insbesondere ihre Vereinbarkeit mit den Grundrechten, zu trennen. Art. 106 ist eine Regelung des Staatsorganisationsrechts. Sie trifft über die Vereinbarkeit einer Steuer mit Grundrechten keine Aussage.

Nach dem Grundgesetz hat der Bund die Kompetenz zur Gesetzgebung über einmalige Vermögensabgaben. Weder aus der grammatischen, systematischen, historischen noch teleologischen Auslegung lassen sich zwingende Argumente für eine restriktive Auslegung des Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG in dem Sinne herleiten, dass ein besonders schwerwiegender Anlass dafür bestehen muss. Aber auch ein außerordentlicher Finanzbedarf lässt sich aus der Auslegung nicht mit hinreichender Sicherheit ableiten. Solche Voraussetzungen lassen sich im Übrigen auch nicht sinnvoll überprüfen. Zusammengefasst verbleiben die folgenden Voraussetzungen für die Erhebung einer einmaligen Vermögensabgabe durch den Bund:

  • Die Vermögensabgabe erfüllt den Steuerbegriff.

  • Die Vermögensabgabe wird einmalig erhoben, also nicht regelmäßig.

  • Die Vermögensabgabe wird durch den Bund nicht missbräuchlich zulasten der Erhebung der Vermögensteuer erhoben. Allerdings existiert derzeit kein Konkurrenzverhältnis, so- lange die Vermögensteuer nicht erhoben wird.

Die Entscheidung, welcher Anlass für die Erhebung in Betracht kommt und ob der jeweilige Finanzbedarf die Erhebung rechtfertigt, muss daher – wie bei Steuern generell – dem Gesetzgeber überlassen bleiben. Auf der Grundlage dieser Auslegung können auch die Folgelasten der Klimakrise oder des Krieges gegen die Ukraine nach der Einschätzung des Gesetzgebers ein tauglicher Anlass für die einmalige Erhebung einer Gesetzteskonformen Vermögensabgabe sein. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass keine Klärung durch das BVerfG besteht und große Teile des Schrifttums eine deutlich strengere Auffassung vertreten, deren Anwendung mit erheblichen Rechtsunsicherheiten verbunden ist, wobei die Vertreter der strengen Auslegung auf der Grundlage ihrer Kriterien vermutlich zur Verfassungswidrigkeit der so begründeten Vermögensabgabe gelangen würden.

Neben dieser Kompetenzfrage sind weitere verfassungsrechtliche Anforderungen außerhalb der Finanzverfassung an die Besteuerung von Vermögen zu beachten. Einmalige Vermögensabgaben müssen mit den Grundrechten, insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, vereinbar sein, der eine gleichheitsgerechte Erfassung und Belastung des steuerpflichtigen Vermögens verlangt. Das Problem der Bewertungsgleichheit besteht auch bei der Grundsteuer und bei der Erbschaftsteuer. Bei der Vermögensabgabe stellt sich das Bewertungsproblem aufgrund der Einmaligkeit der Abgabe zwar weniger stark, eher vergleichbar zur Erbschaftsteuer. Außerdem sind die Anforderungen eigentumsschonender Besteuerung gemäß Art. 14 GG zu beachten. Schließlich ist noch zu ergänzen, dass die einmalige Vermögensabgabe als Zwecksteuer ausgestaltet werden kann, ohne dass dies zwingend geboten ist. Es wird allerdings als sinnvoll empfohlen.

Quelle:

Kompetenz des Bundes zur Erhebung einer einmaligen Vermögensabgabe in Krisenlagen (Hier finden Sie weitere Informationen sowie auch Quellenangaben in den Fußnoten.)

Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 090/22
Abschluss der Arbeit: 29.09.2022
Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen

Ihr Vorteil - Unser Leistungsversprechen

Vertrauen und qualitativ hochwertige Leistungen gehören für
uns zusammen wie die Mona Lisa und ihr Lächeln.
Die Kollegen freuen sich auf Ihre Beratungsanfrage.

Unsere Kompetenzzentren

Wissen / Events

Beratungsanfrage

Vielen Dank für Ihr Interesse an unseren Dienstleistungen.
Ein Experte aus dem zuständigen Kompetenzzentrum wird Ihre Anfrage bearbeiten und sich bei Ihnen melden.

Bitte beachten Sie unsere Honorare
Datenschutzhinweise ansehen
* Pflichtfelder

Beratungsanfrage

Bitte beachten Sie unsere Honorare
Datenschutzhinweise ansehen
* Pflichtfelder