Skip to main content Skip to page footer

HANDELSPOLITIK

Ein Denkmal für  Trump in Brüssel?

Panel in Kooperation mit der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC): Der chaotische Handelsstreit belastet die transatlantischen Beziehungen. Doch er bietet auch eine unverhoffte große Chance für Europa.

Schon über dem Wirtschaftsforum im US-Wahljahr 2024 schwebte die bedrohliche Frage: Wäre Europa auf eine neue US-Regierung unter Präsident Donald Trump vorbereitet? Nun, ein Jahr später, ist Trump da. Und die Frage ist nur virulenter geworden, bleibt aber weitgehend unbeantwortet. Seit seiner Amtseinführung kommen aus Washington fast täglich disruptive Ankündigungen, bei denen internationale Akteure nie Gewissheit haben, wie ernst sie gemeint sind: Zölle rauf oder runter? Machtausweitung über den gesamten Kontinent von Grönland über Kanada bis nach Panama? Einreiseverbot für Ausländer, die sich in sozialen Netzwerken kritisch zu den USA äußern?

Dass Einfuhrzölle zum wirtschaftspolitischen Handwerkszeug des Republikaners gehören, war allen Akteuren schon vor dem Amtsantritt bewusst. Schließlich kamen diese auch schon in der ersten Amtszeit 2017 bis 2021 zum Einsatz. Doch die schwindelerregende Höhe, die aus europäischer Sicht beliebig erscheinende Berechnungsgrundlage und die erratische Geschwindigkeit von Ankündigungen, Aussetzungen, Rücknahmen und erneuten Ankündigungen sorgten zumindest für Fassungslosigkeit. 

Mit einem hochrangig besetzten Panel unter dem Motto „Trouble in Paradise – transatlantische Beziehungen am Scheideweg“ weihte NEU DENKEN eine Zusammenarbeit mit der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) ein, deren Leiter Wolfgang Ischinger selbst mitwirkte. Im ersten der beiden Gesprächsforen diskutierten unter dem Motto „Exportüberschuss und Vertrauensdefizit – Folgen des transatlantischen Handelsstreits“ der langjährige Trump-Berater Kenneth R. Weinstein (s. Interview unten), Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, der frühere österreichische Bundeskanzler Christian Kern, Alexander Birken als Aufsichtsratsvorsitzender der Otto Group, Dr. Simone Bagel-Trah als Aufsichtsratsvorsitzende des Henkel-Konzerns und – aus Brüssel zugeschaltet – David McAllister, seit 2014 Abgeordneter im EU-Parlament, dessen Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten McAllister seit 2017 leitet.

Das Panel fand in einer dreimonatigen Pause des Handelsstreits statt, nachdem sowohl die Trump-Regierung als im Gegenzug auch die EU-Kommission die Zölle in Milliardenhöhe für 90 Tage auf Eis gelegt hatten. Doch diese Frist droht am 9. Juli auszulaufen. Die Verhandlungen gestalten sich als sehr schwierig, der Ausgang ist ungewiss. Welches Handlungsmuster der Trump-Regierung zugrunde liegt, darüber gingen die Einschätzungen im Panel auseinander: Gibt es ein klares Muster? Befinden sich die USA gar auf dem Weg in eine Diktatur, während disruptive Ankündigen nur davon ablenken sollen? Andere Referenten beschwichtigten und beschrieben Trump als hart verhandelnden Geschäftspartner, der das Beste für sein Land herausschlagen will, aber am Ende einen guten Deal für beide Seiten eingeht. 

Eine Abkopplung von China scheint sich abzuzeichnen, aber die Zusammenarbeit mit Europa könnte auf neue Beine gestellt werden. Dem deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz, der kurz vor dem Forum ein gutes Treffen mit Trump in Washington hatte, könnte dabei eine wichtige Rolle zukommen. Als höchst problematisch wird die fehlende Verlässlichkeit wahrgenommen. Manche Referenten bemühten sich dabei um nette Formulierungen: Ein „intuitiver Politikstil“ ersetze die Rationalität, und die Verlässlichkeit liege eben in der Unberechenbarkeit. Andere sprachen hingegen von „klaren Zügen einer faschistischen Führung“ ohne Grundkenntnisse der Ökonomie.

Unternehmensvertreter, die sowohl in Europa als auch an ihren Standorten in den USA betroffen sind, berichteten von Warenlieferungen, die gestoppt würden, bis Klarheit herrsche. Gerade wenn man versuche, Nachhaltigkeitskriterien zu erfüllen, ließen sich Lieferketten nicht von heute auf morgen verlegen. Die Volatilität betreffe eben nicht nur den transatlantischen Handel, sondern den ganzen Globus. Steigende Zölle seien kein Nullsummenspiel mit Gewinnern und Verlierern, sondern drohten einen Prozess auszulösen, bei dem alle Beteiligten verlieren – insbesondere die Verbraucher auf beiden Seiten des Atlantiks. 

Von politischer Seite wird zudem bedauert, dass die verschiedenen Streitthemen zwischen Brüssel und Washington bei Verhandlungen miteinander vermengt würden: Zölle und Handelsabkommen, Aufrüstung der NATO-Mitglieder und Unterstützung der Ukraine. Keine gemeinsame Basis gibt es zudem bei der Berechnung des von US-Seite beklagten Handelsdefizits zwischen den USA und Europa. Unerklärlich wirkt die von Trump formulierte Zahl von 350 Milliarden US-Dollar. Auf europäischer Seite rechnet man im Warenhandel mit einem maximalen Defizit von 156 Milliarden Euro, die aber vom Dienstleistungssektor und anderen Wirtschaftsbereichen ausgeglichen würden. Man könne Bereitschaft zeigen, in bestimmten Branchen mehr US-Waren zu importieren. Aber einem Diktat aus Washington dürfe man sich keinesfalls unterwerfen.

Immer wieder versuchten die Diskussionsteilnehmer, auch hoffnungsvolle Akzente zu setzen. Die US-amerikanischen Importzölle für chinesische Unternehmen wie Shein und Temu könnten und sollten ein Vorbild für Europa sein, um sich vor asiatischen Billigprodukten zu schützen. Andere Referenten beschrieben die US-Politik sogar als große Chance, als eine Art Fußtritt, den Europa brauche, um endlich seine zu lange aufgeschobenen Hausaufgaben zu erledigen: den Hintern hochbekommen, Reformen anpacken, den Binnenmarkt vertiefen, die Wettbewerbsfähigkeit verbessern, Bürokratie abbauen und Handelsabkommen mit anderen Weltregionen forcieren. Wenn diese Chancen wirklich genutzt würden, könnte man am Ende vielleicht darüber nachdenken, Trump ein Denkmal in Brüssel zu setzen.

Beratungsanfrage

Bitte beachten Sie unsere Honorare
Datenschutzhinweise ansehen
* Pflichtfelder