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EU-Erbrechtsverordnung: Erbfälle mit Auslandsbezug rechtssicher regeln

Wie die EU-Vorgaben Erbfälle mit Auslandsberührung regeln und welche Auswirkungen sie auf die Nachlassabwicklung haben

Seit 2015 gilt die Europäische Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO) in allen EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme Irlands und Dänemarks. Sie enthält Bestimmungen zu Erbfällen mit sogenannter Auslandsberührung und regelt insbesondere die folgenden Fragen: 

  • Welches nationale Erbrecht ist auf einen solchen Erbfall mit Auslandsberührung anzuwenden (Artikel 20 ff. EU-ErbVO), wenn keine speziellen Staatsverträge (wie zum Beispiel mit der Türkei und dem Iran) existieren? 
  • Welches Gericht oder welche sonstige Stelle ist in diesen Fällen zuständig (sogenannte internationale Zuständigkeit, Artikel 4 ff. EU-ErbVO)? 
  • Was ist ein Europäisches Nachlasszeugnis (Artikel 62 ff. EU-ErbVO)?

Das neu eingeführte Europäische Nachlasszeugnis ist nahezu in der ganzen EU gültig. Mit diesem Zeugnis kann insbesondere die Erbenstellung nachgewiesen werden. Es soll neben die bestehenden nationalen Erbnachweise (wie den deutschen Erbschein) treten und erleichtert den Erben die Nachlassabwicklung im Ausland. Das materielle Erbrecht (also zum Beispiel wer gesetzlicher Erbe wird) sowie das Erbschaftsteuerrecht in den einzelnen Mitgliedstaaten lässt die EU-Erbrechtsverordnung hingegen unberührt.

Das Grundkonzept der EU-Erbrechtsverordnung bedeutet: ein Erbfall, ein Gericht, ein Recht, ein Europäisches Nachlasszeugnis

Welche Auswirkungen hat die EU-Erbrechtsverordnung?

Die EU-Erbrechtsverordnung verfolgt in Erbfällen mit Auslandsberührung zwei Ziele. Zum einen soll es Erblasserinnen und Erblassern einfacher gemacht werden, ihren Nachlass zu planen. Zum anderen soll es für die Erben schneller gehen, den Nachlass abzuwickeln, indem die erforderlichen Verfahren verkürzt werden. Das Grundkonzept der EU-Erbrechtsverordnung für all dies lässt sich wie folgt zusammenfassen: ein Erbfall, ein Gericht, ein Recht, ein Europäisches Nachlasszeugnis. Ein und derselbe Erbfall soll also im Prinzip vor den Gerichten nur eines Staates nach dem dort geltenden Recht abgewickelt werden. 

Anwendbares Recht

Besonders bedeutsam ist die Regelung zum anwendbaren Recht in Erbfällen mit Auslandsberührung. Für Erbfälle nach dem 16. August 2015 findet aus deutscher Perspektive im Regelfall nicht mehr wie früher das Heimatrecht und damit das Recht des Staates Anwendung, dessen Staatsangehöriger der Erblasser oder die Erblasserin war. Nunmehr gilt nach der EU-Erbrechtsverordnung stattdessen grundsätzlich das Recht des Staates seines bzw. ihres letzten gewöhnlichen Aufenthalts (Artikel 21 EU-ErbVO). Die EU-Erbrechtsverordnung bestimmt einheitlich für den gesamten Nachlass, welches nationale Erbrecht zur Anwendung kommt. Dabei wird nicht zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen unterschieden (sogenannter Grundsatz der Nachlasseinheit). 

  • Wenn ein deutscher Staatsangehöriger seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich hat, gilt für ihn das französische Erbrecht.
  • Wenn eine französische Staatsangehörige verstirbt, die ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, gilt das deutsche Erbrecht.

Die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts ist nicht immer ganz einfach. Beispiele: Eine Erblasserin hat sich – unter Umständen auch für längere Zeit – in einen anderen Staat begeben, um dort zu arbeiten, hat dabei aber eine enge und feste Bindung zu Deutschland aufrechterhalten. Ein Erblasser hielt sich nicht dauerhaft an einem Ort auf, sondern lebte immer abwechselnd eine Zeit lang in Deutschland und Spanien. Hier lassen sich keine pauschalen Aussagen treffen. Der gewöhnliche Aufenthalt ist vielmehr durch eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers bzw. der Erblasserin festzulegen. Kriterien können dabei zum Beispiel sein, wie lange und wie regelmäßig sich jemand in dem betreffenden Staat aufhält oder wo sein Lebensmittelpunkt in familiärer oder sozialer Hinsicht ist. Wer also vier Monate im Jahr in Spanien und im Übrigen in Deutschland lebt, hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Regel in Deutschland.

 

Rechtswahl

Wer den gewöhnlichen Aufenthalt nicht in dem Staat hat, dem er angehört, aber dennoch will, dass im Erbfall sein Heimatrecht anwendbar ist, kann eine sogenannte Rechtswahl treffen (Artikel 22 EU-ErbVO). 

Beispiel: Ein deutscher Staatsangehöriger lebt in Frankreich und will, dass auf seinen Erbfall das deutsche und nicht das französische Erbrecht anwendbar sein soll: Er muss eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts treffen.

Eine Rechtswahl zugunsten des Heimatrechts ist ebenfalls zu empfehlen, wenn Unsicherheiten darüber bestehen, wo sich der gewöhnliche Aufenthalt befindet. Diese Rechtswahl muss entweder ausdrücklich in einem Testament oder in einem Erbvertrag (also in Form einer sogenannten Verfügung von Todes wegen) erfolgen oder sie muss sich zumindest aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung von Todes wegen ergeben. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist eine ausdrückliche Rechtswahl zu empfehlen. 

Bestandsschutz 

Die EU-Erbrechtsverordnung gewährt sowohl für eine vor dem 17. August 2015 getroffene Rechtswahl als auch für eine vor diesem Datum errichtete Verfügung von Todes wegen in weitem Umfang Bestandsschutz, wenn der Erbfall nach dem 17. August 2015 eintritt (zu den Einzelheiten siehe Artikel 83 EU-ErbVO). Die bisher errichteten Verfügungen (gegebenenfalls einschließlich darin enthaltener Rechtswahl) bleiben grundsätzlich zulässig oder wirksam, wenn sie nach den Vorschriften eines der in Artikel 83 EU-ErbVO alternativ genannten Regelungssysteme (darunter das Heimatrecht des Erblassers oder der Erblasserin) zulässig oder wirksam sind. 

Internationale Zuständigkeit

Für Entscheidungen in Erbsachen sind grundsätzlich die Gerichte (oder sonstigen Stellen) nur eines EU-Mitgliedstaats für den gesamten Nachlass zuständig (sogenannte internationale Zuständigkeit). Dies sind grundsätzlich die Gerichte (oder sonstigen Stellen) des Staates, in dem der Erblasser oder die Erblasserin seinen bzw. ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Die Verfahrensbeteiligten (zum Beispiel die Erben) können aber eine sogenannte Gerichtsstandsvereinbarung treffen, wenn ein Erblasser bereits zuvor durch eine wirksame Rechtswahl entschieden hat, dass für seinen Erbfall das Recht seines Heimatstaats anwendbar sein soll. Durch diese Gerichtsstandsvereinbarung kann festgelegt werden, dass die Gerichte (oder sonstigen Stellen) im Heimatstaat dieses Erblassers zuständig sein sollen (Artikel 5 EU-ErbVO).

Erbschein und Europäisches Nachlasszeugnis 

Die EU-Erbrechtsverordnung hat zudem ein Europäisches Nachlasszeugnis eingeführt (Artikel 62 ff. EU-ErbVO). Als einheitlicher Nachweis insbesondere über die Rechtsstellung als Erbe soll es die grenzüberschreitende Nachlassabwicklung einfacher und effizienter gestalten. Es ist in allen EU-Mitgliedstaaten (Ausnahme: Irland und Dänemark) gültig und entfaltet in allen diesen EU-Mitgliedstaaten dieselbe Wirkung. Seine Verwendung ist nicht verpflichtend (Artikel 62 Absatz 2 EU-ErbVO). Es verdrängt also nicht etwa den deutschen Erbschein, sondern stellt einen zusätzlichen Erbnachweis dar.

Beispielsfall: Ein deutscher Staatsangehöriger lebt schon seit Jahren auf seinem Weingut in der Toskana. Als er dort verstirbt, hinterlässt er neben diesem Weingut noch ein Haus in München. Grundsätzlich gilt in diesem Fall nach Artikel 21 Absatz 1 EU-ErbVO für den gesamten Nachlass italienisches Recht, da der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt des Erbfalls in Italien hatte. 

Auch wenn Sie die gedankliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod aus nachvollziehbaren Gründen scheuen, sollten Sie sich frühzeitig mit der eigenen Nachlassplanung beschäftigen.

Der Erblasser hätte auch die Möglichkeit gehabt, in einem Testament sein Heimatrecht zu wählen. Dann fände – ebenfalls für seinen gesamten Nachlass – deutsches Erbrecht Anwendung. Grundsätzlich sind für die Entscheidungen in dieser Erbsache für den gesamten Nachlass die italienischen Gerichte zuständig (Artikel 4 EU-ErbVO), da auch für die internationale Zuständigkeit grundsätzlich der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers bzw. der Erblasserin maßgebend ist.  Möchten aber die in Deutschland lebenden Erben des Erblassers, dass stattdessen die deutschen Gerichte zuständig sind, können sie dies im Wege einer Gerichtsstandsvereinbarung erreichen. Dies ist allerdings nur dann möglich, wenn der Erblasser selbst zuvor eine Rechtswahl zugunsten seines deutschen Heimatrechts getroffen hat. 

Möchten die Erben ein Europäisches Nachlasszeugnis beantragen, sind ebenfalls die italienischen Gerichte für den gesamten Nachlass zuständig. Auch hier können die Erben allerdings, wenn der Erblasser zuvor sein deutsches Heimatrecht gewählt hatte, durch eine Gerichtsstandsvereinbarung die Zuständigkeit deutscher Gerichte begründen und dort das Nachlasszeugnis beantragen.

 

Eigene Überlegungen anstellen

Auch wenn Sie die gedankliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod aus nachvollziehbaren Gründen scheuen, sollten Sie sich frühzeitig mit der Nachlassplanung beschäftigen. Überlegen Sie, wo Sie Ihren gewöhnlichen Aufenthalt derzeit haben und ob Sie diesen voraussichtlich beibehalten werden oder eine Verlagerung in das Ausland in Betracht kommt. Machen Sie sich Gedanken darüber, welche Nachlassverteilung Ihren Wünschen entspricht und ob Sie, damit diese eintritt, eine Verfügung von Todes wegen errichten müssen. Überlegen Sie auch, ob es für Sie nötig oder sinnvoll ist, die oben beschriebene Rechtswahl zu treffen. Dies kann ratsam sein, da ausländische erbrechtliche Regelungen erheblich von den deutschen abweichen können. 

So können die gesetzliche Erbfolge oder die Pflichtteilsrechte anders als in Deutschland sein. Wenn Sie verheiratet sind, sollten Sie auch das Güterrecht in den Blick nehmen. Gilt deutsches Erbrecht, wird im Güterstand der Zugewinngemeinschaft bei gesetzlicher Erbfolge der Zugewinn pauschal durch eine Erhöhung des Erbanteils des Ehegatten ausgeglichen. Auch insoweit können ausländische Regelungen erheblich abweichen, so dass eine Rechtswahl oder eine Gestaltung der Erbfolge oder des güterrechtlichen Ausgleichs sinnvoll sein können. Um Friktionen zu vermeiden, empfiehlt es sich in der Regel, darauf zu achten, dass für das Güter- und Erbrecht die gleiche Rechtsordnung Anwendung findet.

Alte Testamente und Erbverträge prüfen

Liegt ein Sachverhalt mit Auslandsberührung vor oder kann ein solcher zukünftig nicht ausgeschlossen werden, gilt: Prüfen Sie Ihre bereits errichtete Verfügung von Todes wegen auf ihre Wirksamkeit und daraufhin, ob die von Ihnen gewünschten Ziele, zum Beispiel bei einer Geltung ausländischen Erbrechts, (noch) erreicht werden können.

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