Kenneth R. Weinstein: "Merz könnte die richtige Person sein"
Wenn sich der im Handelsstreit mit den USA aufgewirbelte Staub wieder gelegt hat, werden viele Themen, die jetzt als große Probleme angesehen werden, gelöst sein, versichert der Ex-Trump-Berater.

Der Politologe Dr. Kenneth R. Weinstein ist Experte für internationale Beziehungen und beriet US-Präsident Donald Trump während dessen erster Amtszeit. Zudem leitete er jahrelang die konservative Denkfabrik Hudson Institute in Washington. Bei NEU DENKEN hörte er teilweise sehr frustrierte Statements über die US-Außenpolitik. Seine Teilnahme bei den Panels der Münchner Sicherheitskonferenz fand an dem Tag statt, an dem Israel den Angriff auf den Iran gestartet hatte.
Während der Konferenz eskaliert die Lage in Nahost weiter. Hat Sie heute Nacht eine Push-Nachricht geweckt?
Nein, ich hatte bis 7.30 Uhr durchgeschlafen und mit meiner Frau geredet, als sie auf ihr Handy schaute und sagte: ‚Israel
hat diese Nacht den Iran angegriffen.‘ Ich war überrascht. Ich hatte mit einem Angriff gerechnet, aber nicht heute.
Auf der Konferenz haben Sie uns Europäern erklärt, wie Trump tickt. Ihre wichtigste Botschaft?
Dass der Präsident zwar klare politische Ziele hat, aber dass er auch offen dafür ist, eng mit unseren Verbündeten und Partnern zusammenzuarbeiten, um diese Ziele gemeinsam zu erreichen. Er ist sehr zufrieden mit Kanzler Merz und dessen Entscheidung, fünf Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung zu unterstützen. Deswegen ist auch das Treffen in Washington so gut gelaufen. Auch im Handel strebt Präsident Trump eine Einigung an.
Es gibt den Zweck und es gibt die Mittel. Weiß Präsident Trump, dass seine disruptive Politikform dauerhafte Folgen für die Beziehung mit Europa hat?
Er schätzt die Unvorhersehbarkeit. Sie ist für ihn ein wichtiges Druckmittel, und Druckmittel sind für ihn der Schlüssel bei Verhandlungen. Aber der Präsident weiß auch, dass seine Aufgabe letztlich darin besteht, das Wirtschaftswachstum der USA zu fördern. Einige der Themen, die man aktuell als große Probleme ansieht, werden verschwinden. Sehen Sie sich das Beispiel NATO an. Trump war nicht glücklich am 70. Jahrestag der NATO 2019. Und Brüssel war sehr verärgert über die Dinge. Und jetzt in Den Haag sehen wir einen neuen Donald Trump.
Stellen wir uns vor, wir befinden uns im Wahljahr 2028 und die Dinge sind dreieinhalb Jahre erfolgreich gelaufen für die Regierung Trump, er konnte seine Ziele umsetzen. Wie sähe die Welt aus? Gibt es zum Beispiel noch Zölle auf Stahl und Autos?
Das hängt eher von unseren Handelspartnern ab. Wir werden definitiv weiterhin Zölle auf chinesischen Stahl haben. Zölle für Stahl aus Japan und Europa? Mein Bauchgefühl sagt mir, es wird sie geben. Bei Autos sehe ich mehr Verhandlungsspielraum. Europa müsste möglichst viele nichttarifäre Hemmnisse abbauen. Dann könnten die US-Zölle sinken oder verschwinden.
Die Wirtschaft der USA …
...wird stark sein, wie vor Covid, als die Löhne der Arbeiter stiegen und das Vertrauen groß war. Das können wir wieder erreichen. Entweder, weil die anderen Staaten Deals mit den USA abschließen und wir dadurch vorankommen. Oder aber wir erreichen keine Deals und wir brauchen starke Zinssenkungen von der Notenbank, sobald Jerome Powell als Vorsitzender der US-Zentralbank ersetzt wurde. Es gibt wohl diese beiden Optionen. Ich würde klar die erstere bevorzugen.
Vier Jahre Trump, wie steht es um die NATO?
Sie wird sehr stark sein, mit erhöhten Ausgaben von Deutschland und dem größten Teil Westeuropas. Sie wird weitgehend geeint sein mit dem gemeinsamen Ziel, der potenziellen russischen Bedrohung begegnen zu können. Kanzler Merz wird eine große Rolle dabei spielen, weil er bereit ist, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Trump will einen Partner in Europa, eine große Nation, der wir vertrauen können. Mit Starmer hat er das nicht, auch nicht mit Macron. Merz könnte die richtige Person sein.
Die Ukraine?
Die USA werden auf keinen Fall zulassen, dass die Ukraine an die Russen fällt, da stünden wir schwach da. Auch Europa wird das nicht zulassen. Norwegen, Dänemark, Deutschland und weitere Länder werden beträchtliche Summen in die Verteidigung der Ukraine investieren, was die Last für die USA verringert. Das ist wichtig für uns, damit wir uns auf den indopazifischen Raum konzentrieren können.
Wahlkampf 2028, der republikanische Kandidat heißt … Trump?
Auf keinen Fall. Das lässt die Verfassung nicht zu.
Als Vize?
Es würde ihm keinen Spaß machen, Vizepräsident zu sein.
Hier erklären Sie die USA den Europäern – was erzählen Sie in den USA über Deutschland und Europa?
Jeder, der in Europa und Deutschland unterwegs ist, merkt: Deutschland hatte einmal die beste Infrastruktur in Westeuropa. Und heute sind die Züge nicht mehr das, was sie einmal waren. Telefon und Internet auch nicht. Deutschland war nach dem Krieg ein Land, das sich auf Disziplin, Produktion, Opfer für das Gemeinwohl konzentriert hat. In den vergangenen 15 Jahren hat es den Deutschen an Selbstvertrauen gefehlt, sie haben sich zu sehr auf Privatleben und Urlaub konzentriert statt die Champions von Europa zu sein.
Wie schaut man in den USA auf die EU?
Die EU ist so kompliziert. Man kann den Verstand verlieren, wenn man versucht, sie zu erklären. Das ist wohl die vorherrschende Vorstellung in den USA. Die Briten wollten raus, da kann sie nicht so toll sein. Und natürlich sehen einige Menschen in den USA Europa als Konkurrenz. Aber Europa war zuletzt so schwach, dass es schwerfällt, es als Konkurrenten oder Vorbild für den Rest der Welt ernst zu nehmen.
Sie haben viele Jahre über Internationale Beziehungen doziert. Welche Texte würden Sie Ihren Studierenden zur aktuellen Lage empfehlen – Huntingtons „Kampf der Kulturen“ vielleicht oder lieber etwas zur Monroe-Doktrin?
Es lohnt immer, zu den Klassikern zurückzukehren: die Politik von Aristoteles, Der Fürst von Machiavelli. Und lesen Sie die Federalist Papers der Urväter der US-Verfassung. Die drei Lektüren müssten einen guten Einblick geben.